Keine Termine |
Two Oceans Marathon (Capetown, South-Africa)
Es ist Oster-Samstag der 22. März 2008, 5 Uhr morgens auf dem Weg zum Start nach Newlands (Westercape) stehen wir hoffnungslos auf der Autobahn im Stau – nichts geht mehr. Wir, das sind Joanne aus Boston, die den Halbmarathon laufen möchte, Birgit ihre Gastgeberin, die uns aus Tableview zum Start chauffiert und ich. Nachdem wir in 40 min nur knapp 2 km vorangekommen sind, entschließen Joanne und ich uns zu Fuß im Dunkeln zum Start durchzuschlagen. Ohne dass wir eigentlich wissen, wo der Start ist, laufen wir anderen Sportlern einfach hinterher. Um 5:55 Uhr endlich ist das Ziel – der Start auf der Main Road in Newlands in Sicht. Wir sind sehr erleichtert, denn für Joannes Halbmarathon ist der Start bereits um 6:00 Uhr.
Ich habe noch Zeit meinen Kleidersack abzugeben und die Atmosphäre im Morgengrauen zu genießen. Pünktlich um 6:30 Uhr fällt der Startschuss. Auf der 4-spurigen Straße setzt sich die Läufer-Masse in Bewegung. Nach ein paar Kilometern hat sich das Feld schon so auseinander gezogen, dass ich genug Platz habe, um meinen 6 min/km-Schnitt zu laufen.
Die Stimmung unter den Läufern ist gut. An der farblichen Kennung der Startnummer, die vorne und hinten getragen wird, ist man als „Oversea“ zu erkennen. Auch der Name, das Heimatlandes und die Zahl der bereits absolvierten Two Oceans Marathons ist aufgedruckt. Ich werde häufiger von anderen Läufern angesprochen und muss erklären, wo Hatten-Sandkrug auf unserem Globus zu finden ist.
Die ersten 16 km gehen fast nur geradeaus durch die südlichen Vororte Kapstadts bis nach Muizenberg. Dort erreichen wir das Meer, die False Bay- den ersten der 2 Ozeane. Die Strecke biegt nach Südwesten ab entlang der Ostküste der Kaphalbinsel. Wir passieren die kleinen Ferienorte St. James mit seinen berühmten bunten Badehäuschen,
Kalkbay und Fish Hoek (21 km). Alle Orte liegen am Fuße steiler Berghänge direkt am Meer. Die Sonne spiegelt sich auf der türkisfarbenen Wasseroberfläche. Der südöstliche Wind wird immer stärker und ich versuche im Windschatten einiger Läufer ein paar Kräfte zu sparen.
In Fish Hoek biegen wir vom Meer ab hinauf über einen kleinen Hügel, ein Vorgeschmack auf die bevorstehenden Anstiege. Die Verpflegung ist übrigens hervorragend, es gibt etwa 30 Getränkestationen auf 56 km! Die meisten liegen im Abstand von 1 bis 2 km, selten darüber. Da die Helfer sich über mehrere hundert Meter an der Strecke verteilen, hat man das Gefühl, dass ein Verpflegungsposten schon bald an den nächsten grenzt. Es werden kleine Foliensäckchen mit Wasser (in grün) oder isotonischen Getränken (in Orange und Blau) von unzähligen Helfern gereicht. Diese lassen sich gut mit den Zähnen öffnen und entspannt trinken. Die Säckchen lassen sich auch bequem als Reserve in der Hand mitnehmen.
Bei 25,6 km beginnt der Anstieg zum Chapmans Peak. Hier haben wir bereits den zweiten Ozean, den Atlantik erreicht. Nach ein paar Kilometern höre ich eine Musikband. Dann geht es wieder bergab. So schlimm war der Anstieg gar nicht. Wie im Bilderbuch schlängelt sich die Straße um die steilen Berghänge. Aus meinen Träumen werde ich gerissen, als ich das Läuferfeld ein paar Kilometer vor mir hoch oben am Berg entdecke. Der Anstieg am Chapmans Peak ist also noch lange nicht geschafft! Ein kleiner Schock – doch lässt die Schönheit der unter Felsenüberhängen verlaufenden Straße (fast!!!) alle Anstrengungen vergessen. Die grandiose Aussicht vom berühmten „Chapmans Peak Drive“ über den Atlantik und die Hout Bay habe ich bereits im letzten Jahr aus dem Auto genießen können. Damals ahnte ich noch nicht, dass ich diese einmalige Panorama-Straße auch einmal zu Fuß bewältigen würde. Viele Läufer beginnen zu gehen. Eigentlich ist der Anstieg überhaupt nicht so gewaltig, unangenehmer ist die seitlich schräg abfallende Straße, die einem das Laufen noch etwas erschwert.
Die vielen Helfer an der Strecke, die uns anfeuern, die einmalige Aussicht und der Humor der Mitläufer bei km 36 „nun sind es nur noch 2 mal 10 km“ gestalten den Anstieg kurzweilig. Zwischenzeitlich mal freundlich und entspannt in die Kamera gelächelt ist das Schlimmste bald überstanden, und es geht wieder bergab nach Hout Bay. Der Wind bläst so stark den Steilhang hinab, dass ich fast vom Winde verweht werde. Ich werde regelrecht den Berg hinabgeschoben, schneller als mir lieb ist.
In Hout Bay suche ich nach Bekannten, die an der Strecke stehen wollten. Leider kann ich sie nicht entdecken. Es tröstet mich, dass mein Mann Fried-Michael am letzten Anstieg etwa bei km 45 auf mich warten wird. In Hout Bay sind wir wieder auf Meeresniveau angekommen. Die Strecke biegt nun nach rechts ab und steigt langsam wieder an. Vor uns liegen 200 m Steigung auf einer Streckenlänge von 5 km. Noch voller Motivation überquere ich die Marathonlinie - kurz unter 4 h. Die Strecke steigt weiter an. Eine Verpflegungsstation wird von einer Schulklasse unterstützt. Die Kinder jubeln uns zu und freuen sich über jeden Getränkebeutel, den sie an den Mann (oder Frau) bringen. Noch 3 km bis zum Pass. Neben mir fahren 2 Rennradler den Berg hinauf. Es sind Alexander und Michael, die wir während unseres Urlaubs in den Cedarbergen kennengelernt haben und die mich an der Strecke unterstützen wollten. Sie überhäufen mich mit Komplimenten, was mir für den letzten Anstieg die zweite Luft verschafft. Und da steht auch schon Fried. Vor lauter Freude und Aufregung hat er die Kamera nicht bereit – ich muss also fürs Foto Tempo herausnehmen. „Nur noch wenige Meter bis zum Top“. ruft er mir zu. Begleitet von meinen beiden Rennradlern erreiche ich Constantia Neck (46km). Hier gibt es für alle Läufer ein Eis, was ich mir dann doch verkneife – immerhin sind es noch 10 Kilometer bis ins Ziel. Die Straße fällt nun ab. Da meine Beine noch nicht ermüdet sind, genieße ich den erholsamen Bergab-Lauf. Leider ist der Genuss schnell vorüber und zu meinem Leidwesen geht es mal wieder bergauf. Dieses bergauf und bergab bleibt mir auf den letzten Kilometern erhalten. Mir scheint es, als würden schon fast alle Mitstreiter gehen. Nur ich möchte meinen Marathon bis zum Ende laufen. Vorbei an Kirstenbosch dem berühmten Botanischen Garten näherte ich mich dem Universitätsgelände. Noch schnell eine Coca Cola gegen das Hungergefühl heruntergestürzt, biege ich auf der mit UK (Universität Kapstadt) gekennzeichneten Abbiegespur auf den Rasen des Universitätsgeländes ein. Beiderseits der Laufgasse feuern mich die Zuschauer an und ich höre meinen Namen über Lautsprecher, als ich nach 5:25:01 h überglücklich über die Ziellinie laufe. Ich bekomme eine Bronze-Medaille umgehängt (leider nicht für den dritten Platz sondern für eine Zeit unter 6 h), und werde zusammen mit dem Südafrikaner Trust im Ziel fotografiert.
Ich hole meinen Kleidersack ab, treffe sofort Fried, der mich stolz in seine Arme schließt und unsere Gastgeber in der Makailodge, Gisela und Rainer. Wir genießen zusammen das bunte Treiben im Ziel und lassen uns mit Essen und Getränken verwöhnen. Zum Abschluss schauen wir uns noch die Siegerehrung an, die bei strahlendem Sonnenschein vor der gewaltigen Kulisse des Tafelberges stattfindet.
Am Abend überraschen mich Gisela und Rainer in der Makailodge mit einer spontanen Grillfeier, die leider auch schon den Abschluss unseres Südafrika-Urlaubs bedeutet.
Aktualisiert (Donnerstag, den 07. Januar 2010 um 13:26 Uhr)
So schnell Sie in einem Wettkampf auch laufen, irgendwo ist irgendeiner immer noch schneller. |
Designed by i-cons.